12.06.2023-Fachbeitrag -Überwachung des grenzüberschreitenden Verkehrs
VON RA DR. SEBASTIAN PETERS, ZERTIFIZIERTER BERATER FÜR STEUERSTRAFRECHT [DAA].
STRECK MACK SCHWEDHELM, KÖLN
Reisende, die Barmittel von 10.000 EUR oder mehr bei sich führen, müssen dies schriftlich beim Zoll anmelden. Zum Nachweis der Herkunft, des wirtschaftlich Berechtigten und des Verwendungszwecks der Barmittel oder gleichgestellter Zahlungsmittel, muss der Betroffene oder wirtschaftlich Berechtigte im Rahmen des sog. Clearingverfahrens auf Verlangen der Zollbediensteten geeignete Belege, Urkunden oder sonstige Dokumente vorlegen, § 12a Abs. 5 S. 1 ZollVG. Gegen die Sicherstellung ist der Widerspruch, im Fall der Nichtabhilfe die Anfechtungsklage zu erheben.
1. Beschlagnahme
Wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstands vorliegen hier in Form des Bargelds, kann dieser beschlagnahmt werden, um die weitere Vollstreckung nach der Sicherstellung und ggf. erfolglosem Clearingverfahren (§ 12a Abs. 5, 7 ZollVG] zu sichern, § 111 b Abs. 1 StPO. Oft wird hier der Vorwurf der Geldwäsche in den Raum gestellt, festgemacht an einer vermeintlich unklaren Herkunft.
Voraussetzung ist indes ab diesem Zeitpunkt ein sog. strafrechtlicher Anfangsverdacht i. S. d. § 152 Abs. 2 StPO (zum Ganzen Peters in: MüKo, StPO, 1. Aufl., § 152 Rn. 34; Gercke in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl.,§ 111 b Rn. 1 O; Köhler in: Meyer-Goßner/Köhler, StPO, 65. Aufl., § 111 b Rn. 6]. Nach dieser Vorschrift bedarf es zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat. Ein Anfangsverdacht muss in konkreten Tatsachen bestehen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (Peters in: MüKo, StPO, a. a. 0., § 152 Rn. 38; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. 0., § 152 Rn. 4, m. w. N.l. Ein den Verfolgungszwang auslösender Anfangsverdacht liegt vor, wenn es nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden ist (BVerfG 23.7.82 2, BvR 8/82, NStZ 82, 430; 18.1.94 2 BvR 1912/93, NJW 94, 783; BGH 21.4.88 111 ZR 255/86, NJW 89, 96, 97]. mithin die Möglichkeit einer späteren Verurteilung t }~aJteht. Die Möglichkeit bezieht sich auf vier Komponenten:
- Tatbegehung
- Subsumtion der Tat unter einen Straftatbestand
- Nachweis der Tatbegehung mit prozessual zulässigen Beweismitteln
- Fehlen von Verfahrenshindernissen
Im Hinblick auf den Vorwurf der Geldwäsche ist sogar ein sog. doppelter Anfangsverdacht erforderlich, d. h. für die Vortat und die Tat der Geldwäsche selbst (BVerfG 31.1.20, 2 BvR 2992/14, ZWH 20,338 mit Anm. Braun unter Verweis auf LG Marburg 15.11.02, 4 Qs 136/02, StV 03, 67, 68; BGH 18.9.19, 1 StR 320/18, wistra 20, 61; LG Berlin 27. 7.20, 506 QS 57 /20 [juris]; LG Ulm 13.4.11, 2 Qs 2019/11 Rn. 6 [juris]; Neuheuser in: MüKo, StGB, 3. Aufl.,§ 261 Rn. 137].
MERKE: Ermittlungsrichterliche Beschlüsse setzen mitunter allein die Höhe der Barmittel und/oder die Umstände, die dazu berechtigen, Barmittel sicherzustellen, dem Vorliegen eines Anfangsverdachts gleich. Dies ist unzulässig. Erst die konkrete Vortat versieht das Geld oder den sonstigen Gegenstand, mit dem der Täter umgeht, mit dem Makel, der einer neutralen, sozialtypischen Handlung wie z. B. einer Geldzahlung das Unwerturteil der Strafbarkeit zuweist. Dies ist Tatfrage.
Oft wird der Nachweis für eine illegale Herkunft der Gelder im laufe des Ermittlungsverfahrens nicht oder nicht ausreichend geführt oder kann nicht entsprechend geführt werden. Bargelder bleiben unverhältnismäßig lang beschlagnahmt. Zumeist fehlt es im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens zunehmend an dem Anfangsverdacht der Anknüpfungstat, d. h. an konkreten Anhaltspunkten, dass die Barmittel aus rechtswidrigen Straftaten stammen. Selbst wenn man den Strafverfolgungsbehörden zum Beginn der Ermittlungen auch noch einen Beurteilungsspielraum bezüglich der Vortat einräumen wollte, muss sich dieser im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens hinreichend konkretisieren, um rechtfertigen zu können, dass die den Drittbetroffenen belastenden Maßnahmen aufrechterhalten bleiben.
Wie jede strafprozessuale Zwangsmaßnahme i. R. d. Ermittlungsverfahrens steht auch die Anordnung und Aufrechterhaltung der Beschlagnahme zum Zwecke der späteren Einziehung zudem unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Das BVerfG hat die Bedeutung dieses Merkmals mehrfach hervorgehoben (BVerfG 5.5.04, 2 BvR 1012/02, StV 04, 411; 14.6.04 2, BvR 1136/03, wistra 04, 378; 3.5.05, 2 BvR 1378/04, wistra 05, 335].
Da der Eingriff in das Eigentum auf der Grundlage eines bloßen Tatverdachts erfolgt und eine Entscheidung über die Strafbarkeit fehlt, muss eine Abwägung des Sicherstellungsbedürfnisses mit der Eigentümerposition erfolgen. Dabei darf dem Sicherstellungsbedürfnis kein zwangsläufiger Vorrang eingeräumt werden. Die ermittlungsrichterlichen Beschlussgründe müssen zudem die Annahme tragen, dass
das Sicherstellungsbedürfnis die Eigentumsgrundrechte des vom Arrest oder der Beschlagnahme Betroffenen überwiegt. Jeder Einzelfall ist konkret zu prüfen und darzulegen (BVerfG 5.5.04 2 BvR 1012/02, StV 04, 411; 14.6.04 2 BvR 1136/03, wistra 04, 378; 3.5.05 2 BvR 1378/04, wistra 05, 335].
Nach alter Rechtslage (§ 111 Abs. 3 StPO a. F.I entfiel das Rechtschutzbedürfnis nach Ablauf von sechs Monaten (BVerfG 5.5.04 2 BvR 1012/02, StV 04, 411; 14.6.04, 2 BvR 1136/03, wistra 04, 378; 3.5.05 2 BvR 1378/04, wistra 05, 335].
Das Übermaßverbot gilt freilich auch nach der Reform der Vermögensabschöpfung (OLG Nürnberg 31.8.21, Ws 718/21 [juris]; AG Bremen 18.1.21 91b Gs 1694/21 [juris]; Bittmann in MüKO, StPO, 2. Aufl., § 111 b Rn. 41; Köhler in Meyer-Goßner/Köhler, StPO, 65. Aufl., § 111 b Rn. 8].
Das Gesetz unterscheidet ausdrücklich zwischen dem einfachen und dem dringenden Tatverdacht. Nach allgemeiner Ansicht ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, bei der das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit gegen das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 14 Abs. 1 GG abzuwägen ist.
MERKE: Mit der den Eigentumseingriff intensivierenden Fortdauer der Maßnahme wachsen die Anforderungen an die Rechtfertigung der Anspruchssicherung.
Nach hier vertretener Ansicht erlischt das Sicherungsbedürfnis spätestens nach neun Monaten, ggf. auch schon früher, wenn keine konkreten Ermittlungsbemühungen zum Hintergrund der beschlagnahmten Gelder erkennbar sind, insbesondere was die Vortat betrifft. Ergänzend ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Annahme einer legalen Herkunft entgegenstehen, d. h., ob ein Missverhältnis der legalen Einkünfte zu den sichergestellten Barmitteln besteht.
2. Fazit
Ermittlungsrichterliche Beschlüsse zur Beschlagnahme von Bargeldern sind regelmäßig kritisch zu prüfen und ggf. mit dem Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 StPO anzufechten, insbesondere was den zwischenzeitlichen Nachweis der Anknüpfungstat betrifft. Dieser ist anders als im Clearingverfahren durch die Strafverfolgungsbehörden zu führen.
Beschwerdeberechtigt ist, wer durch die Maßnahme in seinen Rechten verletzt, d. h., in Freiheit, Vermögen oder einem sonstigen Recht in sachlich-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art beeinträchtigt ist (Schmitt: in Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. 0., § 304 Rn. 6). Dieses ist insbesondere beim Eigentümer der beschlagnahmten Sache der Fall (vgl. OLG Celle 30.9.64, 3 Ws 362/64, NJW 65, 362; Cirener in Graf, StPO, 3. Aufl., § 304 Rn. 11.1).
Im Blick zu halten ist auch das Spannungsfeld zwischen der Pflicht, nach § 12a Abs. 5 ZollVG mitwirken zu müssen ( .. muss … vorlegen“]. und den strafprozessualen Verwertungsverboten bei Verstoß gegen den nemo-tenetur- Grundsatz, wenn der Zoll Angaben zur Herkunft der Barmittel verlangt, obgleich zu diesem Zeitpunkt bereits ein (doppelter) strafrechtlicher Anfangsverdacht gegeben war.
PRAXISTIPP: Ungeachtet dessen sollte besonderes Augenmerk auch auf die GeldwäscheCompliance gelegt werden, da Bargeldaufgriffe regelmäßig auch zu weiteren diesbezüglichen zollrechtlichen Überprüfungen führen (können]. sei es durch Kontrollmitteilungen oder im Rahmen sog … Konzertierter Aktionen“.
Quelle: PStR Praxis Steuerstrafrecht, Ausgabe 07/2023, Seite 160, ID 49033313